Holger Schwichtenberg bezwingt trotz Krankheit und Sturz den Cape Epic

Platz 495 von 688 beim härtesten MTB-Rennen der Welt ist ein Erfolg für MSV-Biker Holger Schwichtenberg, da es einige gesundheitliche Herausforderungen und die Folgen eines frühen Sturzes zu meistern galt.

Das achttägige Etappenrennen „Cape Epic“ in Südafrika gilt als das „anspruchsvollste MTB-Rennen der Welt“ oder auch als „die Tour de France für Mountainbiker“, also den Olymp des Mountainbikesports auf unserem Planeten. Von der Radsportweltorganisation UCI ist es als einziges MTB-Etappenrennen in der „Hors Categorie“ (HC) eingestuft. Anders als bei der Tour de France können sich beim Cape Epic aber auch Amateure den Herausforderungen stellen und mit der MTB-Weltelite in einer Wertung fahren. Zu den Herausforderungen gehören neben der Distanz von 630 km und 16.650 Höhenmetern mit zeitbeschränkten Etappenzeiten auch das in der Regel sehr heiße Wetter (30-40 Grad), das defektfördernde Terrain (viel Sand, Geröll und Dornen), der Kontakt mit meist fremden Bakterien und Viren und auch unangenehme Begegnungen mit Antilopen (siehe Youtube).

Zusätzliche Herausforderungen für die Amateure

Den Cape Epic fahren Zweierteams. Amateure dürfen – anders als die Profiteilnehmer – während des Rennens keinerlei Hilfe von außen bekommen, auch kein eigenes Material entgegennehmen. Sie dürfen sich nur an den offiziellen Verpflegungsstationen versorgen und dort vorhandene Techniker und Sanitäter konsultieren. Profis hingegen dürfen an den Stationen eigenes Material wie gefüllte Trinkflaschen und neue Laufräder hinterlegen. Profi-Teams fahren in der Regel auch mit Backup-Teams, die bei Defekten dann Radteile an das Haupt-Team abgeben müssen.

Eine typische Tagesetappe beim Cape Epic geht über 100 km und mehr als 2500 HM
Eine typische Tagesetappe beim Cape Epic geht über mehr als 100 km und mehr als 2500 HM

Noch nie ein Etappenrennen gefahren

Alle diesen Herausforderungen stellte sich vom 17. bis 25. März der MSV-Fahrer Holger Schwichtenberg, der bisher vor allem auf den Kurzstrecken des NRW-Cups (Platz 5 in der Gesamtwertung Senioren 2 in 2018) unterwegs war, nur gelegentlich auch mal Langstrecken wie den Black Forrest Ultra Bike fuhr. Ein Etappenrennen hatte er noch nie bestritten – in dieses Metier direkt mit dem Cape Epic einzusteigen, könnte man also durchaus als „verwegen“ bezeichnen. Nun galt es also, acht aufeinanderfolgende Tage mit Etappen von bis zu 111 km und 2.850 Höhenmeter zu bewältigen. Mit einer Fahrleistung von 11.000 MTB-Kilometern im Jahr 2018 waren Holgers Voraussetzungen aber nicht so schlecht.

Sein Teampartner war der vereinslose Michael Ingendoh aus Wetter. Das Team hatte für sich vereinbart, nicht verbissen auf eine bestimmte Platzierung zu fahren, sondern die beeindruckende Landschaft auch zu genießen und zum Fotografieren bei Bedarf anzuhalten. Das Team von Michael und Holger hatte die Startnummer 400 und den Teamnamen „#2minutes“ in Anspielung auf die streng durchgesetzte Cape Epic-Regel, dass sich die beiden Fahrer eines Teams immer zusammenbleiben müssen und maximal zwei Minuten zwischen Ihnen liegen dürfen.

Das Teamtrikot des Teams "#2minutes"
Das Teamtrikot des Teams „#2minutes“

Trainingsplan von Ruhrpottbiker Sports

Die systematische Vorbereitung begann für Holger nach der Saisonpause im Oktober. Den Trainingsplan schmiedeten MSV-Trainer Nick Wichmann und Hansjörg Zwiehoff im Rahmen von Ruhrpottbiker Sports [https://rpb-sports.de/trainingsplanung-radsport]. Aus den ursprünglich von Holger einmal angedachten 12 Trainingsstunden pro Woche wurden dann aber bis zu 25 Stunden pro Woche, natürlich vor allem Ausdauertraining. Aber auch Nüchterntraining und Schwellenintervalle standen regelmäßig im Plan. So fuhr Holger dann nach dem zweistündigen MSV-Samstagstraining immer wieder noch 2 bis 3 Stunden weiter. Zur Vorbereitung gehörte auch die Teilnahme an dem 4-Tages-Rennen auf Lanzarote, wo Holger mit einem Mittelfeldplatz in einem mit Profis wie Ben Zwiehoff und Vizeweltmeistern wie Leon Kaiser besetzten Feld bereits Anfang Februar eine gute Form zeigte.

Zu kalt für Akklimatisierung

Die Anreise nach Kapstadt erfolgt am 9.3., eine Woche vor dem Rennen, zur Akklimatisierung auf die hohen Temperaturen. Doch hier gab es schon die erste ungeplante Herausforderung: Kapstadt empfing die Biker statt mit der üblichen Dauersonne und 30 Grad lediglich mit Temperaturen um die 17 Grad, Regen und Sturm. Die nächste Herausforderung für Holger Schwichtenberg kam zwei Nächte vor dem Rennstart in Form von „Montezumas Rache“: die Nacht verbrachte er auf und über der Toilettenschlüssel.

Geschwächt an den Start

Entsprechend geschwächt ging Holger an den Rennstart am So, 17. März. An diesem Tag stand zum Glück nur der kurze Prolog (20 km / 600 hm) auf Kapstadts Tafelberg an. Aber auch am ersten richtigen Renntag in Hermanus signalisierte der Körper noch deutlich, dass er keine Nahrungsaufnahme mochte, was bei 111 km und 2700 hm nicht zu einer optimalen Leistung führen konnte. Dennoch gelangen Michael und Holger eine gegenüber dem Prolog verbesserte Tagesplatzierung auf Platz 549 von 688 Teams.

Start zum Prolog in Kapstadt in den Morgenstunden
Start zum Prolog in Kapstadt in den Morgenstunden

Sturz auf Geröll

Der dritte Renntag begann gut: Holger und Michael holten bis zu ersten Verpflegungsstation bereits den fünf Minuten vorher gestarteten Fahrerblock ein. Leider stand dann für Holger die nächste Zusatzherausforderungen an: in einer sehr schnellen Abfahrt auf dem sogenannten „Land Rover Technical Terrain“ (einem besonders herausragendem Streckenteil an jedem Cape Epic-Tag) brachte eine Sandkuhle ihn zu Fall ins Geröll. Die stark blutendende Fleischwunde am rechten Unterarm musste an Ort und Stelle mit einem Druckverband versorgt werden (auch dafür müssen die Cape Epic-Fahrer selbst vorsorgen). An der nächsten Verpflegungsstation erfolgte dann noch mal ein professionellerer Druckverband durch Sanitäter, die ihr Material aber erst langwierig zusammensuchen mussten, was einen zusätzlichen Zeitverlust für das Team bedeutete. Am Etappenende wurde die Wunde dann im Fahrerlager von Ärzten der Mediclinic professionell gereinigt und genäht (die medizinische Versorgung ist im Teilnahmepreis von rund 2500 Euro pro Person enthalten).

Wunde am Unterarm nach harter Landung im Geröll
Die schon gereinigte, aber noch nicht genähte Wunde am Unterarm

Die genähte Wunde erwies sich auf den gerölligen Abfahrten des Groenlandberges (siehe Foto) am vierten Tag als echtes Handicap, da jeder größere Schlag zu einem starken Schmerz im Arm führte. Regen und Temperaturen von nur 12 Grad verschlimmerten den Schmerz noch. Holger konnte die Downhills daher nur langsam fahren und musste Zeit bergauf wiedergutmachen.

Auffahrt zum Groenlandberg im Regen
Auffahrt zum Groenlandberg im Regen

Zum Glück doch kein Bruch

Nach Rennen bekam Holger dann auf Basis der anhaltenden Schmerzen eine Überweisung an ein lokales Krankenhaus zum Röntgen, weil der Rennarzt nun den Verdacht auf einen Bruch unter der Wunde des gestrigen Sturzes hatte. Dieser Verdacht bestätigte sich zum Glück nicht, aber die Nacht war kurz, da das Krankenhaus mit vielen Verletzten von Epic sehr beschäftigt war.

Trails mit Strava-Logo

Der fünfte Renntag war dann zum Glück ein relativ kurzes Zeitfahren (40 km/1000 hm) auf sehr flowigen Trails im Oak Valley. Bemerkenswert an den dortigen Trails sind die markanten Eingangsportale mit Trailnamen und Strava-Logo (siehe Foto). Holgers Unterarm schmerzte zwar immer noch bei jedem Steinchen, aber mit einem gewissen Gewöhnungseffekt für den Schmerz und zusammengebissenen Zähnen ging es weiter. Auch eine Absenkung des Reifendrucks auf 1.3 bar half ihm, was dank Tubeless mit Pepi’s Tyre Noodle problemlos möglich war. Einen Platten oder ernsthaften Defekt hatte das Team Michael und Holger das ganze Rennen über nicht. Lediglich Holgers Schaltauge hatte sich beim Sturz verbogen, was sich aber zurückbiegen lies (ein Ersatzschaltauge war aber natürlich in der Satteltasche).

Gute gebaute Flowtrails mit Strava-Logo in Oak Valley
Gute gebaute Flowtrails mit Strava-Logo in Oak Valley

Bis zu 42,1 Grad

Am sechsten Renntag ging es dann auf der Königsetappe (107 km / 2850 hm) von Oak Valley ins MTB-Mekka nach Stellenbosch. Hier waren dann auch erstmals Trails des Schwierigkeitsgrad S3 und S4 enthalten, auf denen aber zum Teil Schieben bzw. Tragen die Pflicht war, auch für die teilnehmenden Profis. Auf dieser Etappe schaffte schafften Michael und Holger es erstmals unter die 500 der Tageswertung.

Neben der Trailschwierigkeit stiegen auch die Temperaturen, die dann am siebten Renntag mit 42,1 Grad ihren Höhepunkt in den steilen Weinbergen von Stellenbosch erreichten. Dabei galt es erneut 2650 hm, dieses Mal auf 89 km, zu bewältigen.

Bis zu 42 Grad in Stellenbosch
Bis zu 42,1 Grad in Stellenbosch

Glücklich und zufrieden mit Platz 495 von 688

Am letzten Tag ging es von Stellenbosch ins Ziel nach Val de Vie. Hier konnten Michael und Holger erstmal eine Tagesplatzierung unter den Top 400 erreichen, was ihnen in der Gesamtwertung dann noch Platz 495 von 688 einbrachte.

Michael und Holger sind nun nach fast 49 Stunden auf dem Rad glückliche Cape Epic „Finisher“. Unter optimalen Bedingungen hätten die beiden sicherlich deutlich weiter vorne im Gesamtklassement landen können. Sie sind mit dem Endergebnis unter den gegebenen Umständen sehr zufrieden, zumal sie sich – wie geplant – einige Zeit für Natureindrücke und einige Dutzend Fotos nahmen. Zudem muss man bedenken, dass in der Wertung auch die gesamte MTB-Weltelite vertreten ist.

„Die ersten fünf Renntage war durchbeißen gegen die unterschiedlichen Schmerzen angesagt. Aber auf den letzten drei Etappen hat es dann tatsächlich auch Spaß gemacht. Und nun im Ziel ist aller Schmerz vergessen!“, kommentiert Holger Schwichtenberg sein Cape Epic-Abenteuer.

Ankunft im Ziel am 24.3.2019 nach 630 km und 16650 HM in Val de Vie

Ankunft im Ziel am 24.3.2019 nach 630 km und 16650 HM in Val de Vie

Nino Schurter gewinnt auch hier

Den Cape Epic gewonnen hat bei den Frauenteams erneut Annika Langvard mit ihrer Partnerin Anna von der Breggen und bei den Männerteams der MTB-Weltmeister Nino Schurter mit seinem Partner Lars Forster. Die deutschen Fahrer Manuel Fumic (Platz 2), Adelheit Morath (Platz 2) und Sabine Spitz mit Nadine Rieder (Platz 4) sowie der fünfmalige Cape Epic-Gewinner Karl Platt (Platz 12) waren gut in den UCI-Punkterängen vertreten. In der Mixed-Wertung gewannen das deutsche Team Sebastian und Laura Stark.